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Chronisten der See

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Skizzenbücher der Marinemaler auf Deck 8

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Hans von Petersen, Skizzenbuch, Seite 46-47

 

Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen – der Kaispeicher B beherbergt zahlreiche Objekte der Marinemalerei. Die heimlichen Stars der Sammlung: die Skizzenbücher der Maler. Zwei von ihnen erzählen auf Deck 8 des Maritimen Museums ihre Geschichte – das eine begleitete seinen Besitzer in eine der berühmtesten Seeschlachten der europäischen Geschichte, das andere schipperte durch den Hamburger Hafen.

 

„1801, die Schlacht von Kopenhagen. Lord Nelson führt den entscheidenden Angriff gegen die Dänen. An Deck des englischen Linienschiffes „Defiance“, sitzt Robinson Kittoe. Auf seinen Knien ein Skizzenbuch. Links und rechts fliegen die Kanonenkugeln an ihm vorbei. Kittoe zeichnet wie besessen. Er ist Künstler und Auftragszeichner zugleich, ein Chronist, der das Geschehen im Bild festhält.“ Wenn Sammler Peter Tamm über die Arbeit der Marinemaler spricht, dann schwingt unverhohlene Bewunderung in seiner Stimme.

Marinemaler, das sind die Maler der See. Sie haben das Meer und die Schifffahrt als ihre Themen auserkoren. Der Museumsgründer versteht die Faszination der Maler für das Schiff nur zu gut: „Das Schiff ist das Gigantischste, was der Mensch je erfunden hat. Jedes ist ein kleiner Staat an sich und hat alles, was es auf dieser Erde gibt, in sich vereinigt. Gleichzeitig bekommen Sie dort auch das vermittelt, was die meisten Menschen leider nicht mehr haben, nämlich Respekt und Demut vor der Natur. Unter Demut verstehe ich die Anerkennung einer Grandiosität. Das gilt auf dem kleinen Segelboot ebenso wie auf einem Containerriesen. Sie lernen hier wir dort: Der Mensch ist entbehrlich, die Natur nicht. So eine Erkenntnis erzieht.“

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Nicholas Pocock: Die Schlacht von Kopenhagen. Kolorierter Kupferstich (Ausschnitt)

 

Einer dieser Maler war der Brite Robinson Kittoe. Geboren im Frühjahr 1770 bei London wuchs Kittoe als Sohn eines Schatzmeisters der Royal Navy auf. Er folgte dem Vater in die britische Marine. In die Schlacht von Kopenhagen zog er als Sekretär des Vizeadmirals Sir Thomas Graves. Sein Auftrag: die Flottenaufstellung und das Kampfgeschehen im Öresund in Skizzen zu dokumentieren. Das Ergebnis: ein Skizzenbuch im Format 31 cm Höhe mal 45 cm Breite cm mit detailreichen Tusche- und Bleistiftzeichnungen. Einige von ihnen wurden, vermutlich im Nachhinein, mit Aquarellfarben koloriert. Die Ausstellung auf Deck 8 des Maritimen Museums präsentiert das Skizzenbuch zusammen mit dem kolorierten Kupferstich von Nicholas Pocock, der in der Bildunterschrift auf seine Vorlage verweist: „Drawn by M. Pocock from a sketch taken on the spot by Robinson Kittoe Secretary to the Rear Admiral.“

Das Skizzenbuch eines Malers ist besonders faszinierend, denn es dokumentiert sowohl den Arbeitsprozess des Künstlers als auch die Entstehungsgeschichte großer Gemälde.

Ebenfalls in der Kunstsammlung auf Deck 8 befindet sich das Hamburger Skizzenbuch des 1850 in Husum geborenen Hans von Petersen. In Zusammenarbeit mit Rolls-Royce Marine Deutschland und dem FLOOT Design Studio wurde das Objekt digitalisiert, und präsentiert sich nun auf einem interaktiven Touch-Screen. Die 97 Seiten sind gefüllt mit detaillierten Bleistiftzeichnungen und Aquarellen. Einige Skizzen enthalten Farbangaben – Gedächtnisstützen für das spätere Kolorieren mit Aquarellfarben und Deckweiß.

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Hans von Petersen, Skizzenbuch, Seite 48-49

 

Die in dem Skizzenbuch abgebildeten Schiffe wie Hamburger Hafenbarkassen und Schlepper oder Fischkutter und Frachtewer aus dem Bereich Nordseeküste und Unterelbe lassen vermuten, dass die meisten Studien während eines längeren Aufenthalts in Hamburg im Jahr 1891entstanden sind. Wahrscheinlich fertigte von Petersen die Zeichnungen direkt vor Ort im Hafen und an der Elbe an und hatte sich zu diesem Zweck ein Boot gemietet. Dr. Gudrun Müller, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Peter Tamm sen. Stiftung, vermutet in ihnen Vorbereitungsarbeiten für das Panoramagemälde „Die Rückkehr der ‚Augusta Victoria‘ aus ferner Welt nach Hamburg“, an dem der Künstler 1891 gearbeitet haben soll. „Es handelt sich dabei um ein riesiges Rundgemälde, das in eigens dafür errichteten Panoramagebäuden präsentiert wurde. Panoramagemälde dienten der Unterhaltung eines großen Publikums, quasi ein Vorläufer des Kinos“, erklärt die Expertin.

Die Detailbesessenheit, die den Künstler dazu treibt, sich bei schlechtem Wetter in ein kleines Boot zu setzen und zu zeichnen, ist auch der Grund, weshalb der Sammler die Marinemalerei so schätzt: „Marinemalerei ist eine unerschöpfliche Quelle, wenn Sie sich mit Schifffahrtsgeschichte beschäftigen. Die Künstler hatten eine Reporter-Funktion, und deshalb sind auf den alten Bildern die Schiffe meist extrem sauber wiedergegeben. Ohne diese Maler wüssten wir heute viel weniger über die damaligen Zeiten.“ Als Chronisten der See hält sie das Maritime Museum in Ehren.

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