Im Rahmen der Sonderausstellung „Flucht übers Meer“ und zum Jubiläum 30 Jahre Mauerfall organisiert das Museum am 17. Oktober eine Sonderveranstaltung zur Flucht aus der DDR über die Ostsee.
Die Veranstaltung
Podiumsgespräch mit Zeitzeugen und Dokumentarfilm
Am Donnerstag den 17. Oktober um 18:30
Als Zeitzeugen sprechen Peter Seidenberg und Dr. Peter Döbler.
Moderation: Dr. Erik Lindner (Kurator der Ausstellung, Berlin)
Einführung: Dr. Volker Höffer (Historiker, Rostock)
Die Veranstaltung ist kostenfrei.
Wir bitten um Anmeldung unter:
a.moritz@imm-hamburg.de
Um 17.30 Uhr haben Sie zudem die Möglichkeit, an einer Kuratorenführung durch die Sonderausstellung teilzunehmen.
Die Flucht aus der DDR über die Ostsee
Boltenhagen, Kühlungsborn, Warnemünde, der Darß und Hiddensee sind heute wie zu DDR-Zeiten beliebte Urlaubsorte an der Ostseeküste. Vor 1989 jedoch stehen hier Wachtürme mit Scheinwerfern und Radargeräte. Soldaten patrouillieren ohne Unterlass an den Stränden. Auf See riegeln Schnellboote die „nasse Grenze“ ab. Schließlich ist die DDR eine Diktatur, die seit August 1961 ihre Einwohner mit immensem Aufwand am Verlassen des Landes hindert. West-Berlin ist seitdem von der Mauer abgeriegelt. Genauso besteht an der Grenze zur Bundesrepublik eine furchteinflößende Barriere aus Stacheldraht, Zäunen und Minen. Auch dort wird rücksichtslos auf Flüchtende geschossen.
Die 378 Kilometer lange DDR-Seegrenze im Norden wirkt im Vergleich dazu wie ein Schlupfloch. Die Freiheit ist in Sichtweite, denn zwischen dem dänischen Feuerschiff „Gedser Rev“ und der Halbinsel Darß liegen nur etwa 20 km offene See. Von Kühlungsborn über die Lübecker Bucht nach Dahme oder nach Fehmarn ist es etwa doppelt so weit. Diese Distanzen erscheinen auf den ersten Blick verlockend gering. Doch Wind und Wellen, Strömungen, und Kälte machen diese Fluchtrouten zu einem lebensgefährlichen Wagnis.
Etwa 5.600 DDR-Bürger unternehmen einen Fluchtversuch übers Meer. Sie wollen in Faltbooten paddelnd, segelnd oder gar schwimmend in den Westen. Es sind meist sportliche Männer, die einzeln oder zu zweit das volle Risiko eingehen. In seltenen Fällen flüchten ganze Familien.
Während es 913 Menschen auf westliche Schiffe, nach Holstein und Dänemark schaffen, gibt es mehr als 180 Opfer. Die Seegrenze ist eine tödliche Barriere: Von 1961 bis in den Sommer 1989 sind hier mehr Tote zu beklagen, als bei Fluchtversuchen am „Eisernen Vorhang“ der innerdeutschen Landgrenze oder als an der Berliner Mauer. Vier von fünf Fluchtversuchen verhindern die DDR-Grenzer, was lange Haftstrafen für die Gescheiterten zur Konsequenz hat. Erst als die wirtschaftlich ausgezehrte und politisch vollends korrumpierte DDR im Herbst 1989 kollabiert und das menschenverachtende Regime von innen heraus zu Fall gebracht wird, endet die Flucht über die Ostsee.
30 Jahre nach dem Mauerfall erörtern Zeitzeugen und Experten im Rahmen der Ausstellung „Flucht übers Meer – von Troja bis Lampedusa“ sowohl Motive als auch staatliche Gegenmaßnahmen, Gefahren und Schicksale der maritimen DDR-Flucht. Zu Gast ist die Seglerlegende Peter Seidenberg, der 1963 mit einem Freund von Warnemünde nach Gedser paddelte und heute in Portsmouth (Rhode Island, USA) lebt. Flankiert wird er von dem Arzt Peter Döbler, der 1971 in über 24 Stunden von Kühlungsborn bis Fehmarn schwamm. Zudem werden Szenen aus einem Dokumentarfilm des dänischen Journalisten Jesper Clemmensen über die Flucht der Schweriner Familie Sender gezeigt, die 1977 in einer Tragödie endete.