Stürmische See, 1892
Ein holländisches Segelschiff ist unter einem fahlgelben Sturmhimmel in tosender Brandung in Seenot geraten – die entfesselten Elemente scheinen zu einem einzigen Strudel um das Boot herum zu verschmelzen, der Mast liegt bedrohlich schief. Die Mannschaft versucht verzweifelt, die Segel zu reffen, doch die heranrollende gischt-bewehrte Riesenwelle droht, das Schiff zum Kentern zu bringen. Künstlerisch meisterhaft setzt Achenbach die Sturmszene um, dabei variiert der Pinselduktus von dünn lasierender Malweise (im großen Segel so fein, dass die Leinwandstruktur des Bildträgers als Gestaltungselement einbezogen wird) zum pastosen Farbauftrag in der Gischt.
Seit Achenbach als junger Maler in den 1830er Jahren bei Reisen an die Nordseeküste das Meer erfahren hatte, hat ihn das Thema der stürmischen See nicht mehr losgelassen. Mit seinen Seesturm- und Schiffbruchbildern reüssiert er bald beim bürgerlichen wie adligen Publikum, das seine Lust an Schauer- und Untergangsszenen aus der sicheren Distanz seiner Salons mit Hilfe von Achenbachs Motiven befriedigen konnte. Schilderte sein berühmtestes dokumentarisches Schiffbruchbild „Der Untergang der President“, 1842 im Auftrag des Großherzogs von Baden gemalt, mit der Havarie des Raddampfers „President“ im Eismeer noch ein niederländisch geprägtes Bild der Ohnmacht des Menschen gegenüber den Naturgewalten, so spielt er in diesem späten Meisterwerk eine andere Komponente aus. Er inszeniert einen „moment of suspense“ als Dauerschleife: die Betrachter müssen sich fragen, wie die Szene ausgeht – wird das heldenhaft dem Sturm trotzende Rettungs- boot die Wellenberge rechtzeitig bezwingen, um die Mannschaft zu retten?