Gewitter über dem Meer, 1847
„Wir haben da beispielsweise den Melby[e], Däne pur sang, der sehr gut und beinah bedeutend ist,“ heißt es beiläufig im Roman Der Stechlin (1897/98) des deutschen Schriftstellers Theodor Fontane (1819-1898). Fontane verkennt die tatsächliche Bedeutung Melbyes, zu dessen Förderern und Sammlern König Christian VIII., König Frederik VII., Kaiser Napoleon III., Sultan Ab- dülmecid I., König Karl XV. und Kaiser Wilhelm II. gehören. Die Werke des Dänen genießen in den höchsten internationalen Kreisen große Anerkennung – ganz zu schweigen von den akademischen Auszeichnungen und seiner regen Ausstellungstätigkeit.
Ein Segler wurde in einem Sturm entmastet und treibt manövrierunfähig auf dem Meer. In der Ferne ist ein weiterer Segler zu erkennen; das Symbol der Hoffnung auf Rettung. Das Gewitter über dem Meer entsteht zu jener Zeit, in der Melbye die innovativen Bilder des leeren, weitläufigen Meeres erarbeitet. Die Existenz des Menschen auf See wird zunehmend nichtiger dargestellt. Melbye entwickelt laut der Kunsthistorikerin Regine Gerhardt (1969-2018) „als naturwissenschaftlich und naturphilosophisch interessierter Künstler […] in Auseinandersetzung mit den Naturkräften das Seestück zu einem Spiegel der Seele, der Sehnsüchte und Ambitionen seiner Zeit.“ Auch dieses Gemälde trägt Anklänge der „bewegte[n] Meeresoberfläche […] in ihrer Gleichförmigkeit, Undurchdringlichkeit und räumlichen Unendlichkeit“ in sich, die zur „Verunsicherung des Betrachters […] und zur Projektionsfläche existenzieller Reflexion [wird].“