Schneesturm, um 1860
Der englische Künstler Joseph Mallord William Turner verkörpert nicht nur den Höhepunkt der romantischen Landschaftsmalerei, er ist darüber hinaus der originellste Maler seiner Zeit. In der Auflösung traditioneller Bildstrukturen weist er auf die Moderne voraus und erarbeitet sich den Ruf als „Maler des Lichts“. Er entwickelt großzügige Gesamtkompositionen mit zunehmender Entmaterialisierung des Gegenständlichen, um durch die Malerei zu einer „Welterkenntnis“ zu gelangen.
Turner behauptet in autobiografischen Notizen, dass er sich an den Mast des im Bild dargestellten Schiffes hat binden lassen und vier Stunden im Sturm das Naturspektakel erlebt – und überlebt – habe. Schon damals gibt es Diskussionen darüber, ob solche Schilderungen wahr seien.
Der Kunstkritiker John Ruskin (1819–1900) bezeichnet den Schneesturm als „eine der großartigsten Darstellungen der Meeresbewegung, des Nebels und des Lichts, die je auf die Leinwand gebracht wurden.“ In der Arbeit zeichnen sich die Umrisse des technischen Zeitalters ab. Turner ist mit dem Physiker und Chemiker Michael Faraday (1791–1867) persönlich bekannt und schätzt dessen Auseinandersetzung mit dem Wechselverhältnis von Materie, Energie und Kraft. Durch diese Anregungen gelingt es ihm, seine Landschaften mit energiegeladenen Formen zu füllen.
Bereits zu Lebzeiten stoßen die Werke Turners auf großes Interesse. Seit dem 18. Jahrhundert sind Kupferstiche und Radierungen ein beliebtes Medium der Reproduktion und Verbreitung von Gemälden. Dieser besonders qualitätvolle Stich von Robert Brandard (1805–1862) gehört zu einer zwölfteiligen Reihe von Grafiken nach Turners Vorlagen.