Fischer im Abendlicht, undatiert
Gemeinsam mit der Engländerin Sarah Louise Kilpack gehört die Französin Louise Herminie Gudin zu den wenigen überlieferten Marinemalerinnen des 19. Jahrhunderts. Von ihrem Vater Théodore Gudin (1802-1880) ausgebildet, lebt und arbeitet sie in Paris und stellt dort 1849, 1850 und 1853 im Salon aus. Nach ihrer Heirat zieht sie nach Belgien, signiert ihre Bilder aber bis ca. 1864 mit ihrem Mädchennamen und erst danach mit „Mme Fauchier“.
Im Gegensatz zu den dramatisch aufgeladenen Seestücken und Kriegsmarinen, mit denen ihr Vater berühmt geworden war, konzentriert sie sich auf kleine, ruhige und ausbalancierte Meereslandschaften und Hafenansichten. Stilistisch lehnt sie sich an das Vorbild des Vaters an – ihre Bilder sind in ähnlich feiner Präzision und romantischem Kolorit ausgeführt.
Das vorliegende Gemälde hält eine alltägliche Szene an einer Küste oder einem Fluss fest. In warmen Braun- und Orangetönen rückt es ein Fischerboot mit zwei rot akzentuierten Fischerfiguren in den Fokus. Nach dem Fischzug zurück am Ufer, haben diese die Segel abgetakelt und stattdessen die Netze zum Trocknen am Mast befestigt. Im Vordergrund weisen Requisiten wie ein Anker und Körbe für den Fang auf das Fischergewerbe hin. Gudin taucht die Szene in ein perlmuttfarben schimmerndes Licht, das sich effektvoll im Wasser und Strandabschnitt spiegelt und an die gekonnte Lichtregie ihres Vaters erinnert. Das atmosphärische Licht, die Stille und Zeitlosigkeit des geschilderten Naturmoments sind typisch für die romantisch geprägte Marinemalerei der Mitte des 19. Jahrhunderts, die Mensch und Natur als Einheit sah und die tägliche Arbeit der Fischer ideell überhöhte.