Seit vergangenen Herbst konserviert und restauriert Bianca Floss Gemälde im Maritimen Museum. Ihr „Gläsernes Atelier“ befindet sich nicht etwa in einem Hinterzimmer, sondern auf Deck 8 der Ausstellung. Dort werden viele Schätze maritimer Malerei für zukünftige Generationen bewahrt. Darüber hinaus können die Besucher Genaueres über den faszinierenden Beruf der Konservatorin/Restauratorin erfahren.
Ein kleines Mädchen steht an der gläsernen Reling vor der Werkstatt von Bianca Floss und beobachtet ganz still und mit großen Augen die Szene. Was auf der anderen Seite passiert, wirkt nicht wirklich spektakulär, dafür aber spannend. Die Augen von Frau Floss schauen tief in ihr Mikroskop, sodass sie ihre Umgebung kaum wahrnimmt. Ihre Aufmerksamkeit gilt voll und ganz dem Werk auf ihrem Arbeitstisch: ein Gemälde von Johannes Holst, Öl auf Leinwand. Nur ihre rechte Hand bewegt sich. Sie hält ein Stäbchen und geht damit vorsichtig und präzise über eine winzige Stelle der Malerei.
Frau Floss legt das Stäbchen zur Seite und schaut vom Mikroskop hoch. Dann sieht sie die kleine Besucherin. „Möchtest Du wissen, was ich hier mache?“ Das Mädchen nickt. Weitere Besucher scheinen genauso daran interessiert zu sein. Nach kurzer Zeit hat sich eine kleine Gruppe vor der gläsernen Werkstatt versammelt.
Die Siam wird live Konserviert
Mit bloßen, ungeschulten Augen würde man denken, das Gemälde „Die Siam in schwerer See – ein Segel wird gerefft“ sei in perfektem Zustand. Das ist kein Wunder, denn die Schäden im Bild befinden sich im Anfangsstadium. Als erstes wird den Besuchern von Frau Floss erklärt, was dachförmige aufstehende Schäden sind: wenn die Temperatur und Luftfeuchtigkeit der Umgebung eines Bildes wechselt, auch bei der kleinsten Fluktuation, dehnt und zieht sich die Leinwand zurück. Junge Ölfarbe macht bei diesem Prozess mit, sie verliert aber mit den Jahren an Elastizität. So kommt es, dass sich erst einmal mikroskopisch kleine Risse in der Farbschicht bilden. Wenn sich die Leinwand aber aufgrund von zu hoher Feuchtigkeit stark zusammenzieht, hebt sich die Farbe wie ein Dach ab und haftet nicht mehr am Untergrund. Wird das Bild nicht rechtzeitig konserviert, entstehen Fehlstellen in der Farbschicht. Die Originalfarbe ist dann für immer verloren. In diesem Fall muss die Malerei restauriert werden, was aber immer das letzte ist, was die moderne Restaurierung / Konservierung macht.
Das Bild von Johannes Holst wurde 1936 gemalt und die dachförmigen, aufstehenden Schäden sind nur mikroskopisch. Sie weisen wenige kleinste Fehlstellen auf. Doch diese übliche Krankheit der Ölmalerei wurde rechtzeitig erkannt und wird in den Händen von einem Profi wie Frau Floss geheilt.
Um die dachförmigen aufstehenden Schäden wieder zu schließen, wird zuerst eine sehr kleine Menge selbsthergestellter Störleim durch den mikroskopischen Riss angebracht. Die Fläche wird dann mit einer Folie abgedeckt und die Farbschicht mit einem Heizspachtel wieder zur Stelle gebracht. Den Prozess kann man sich etwa wie Bügeln im kleinsten Maßstab vorstellen. Allerdings wie das vorsichtigste, präziseste Bügeln, das man je gesehen hat. Damit wäre das Bild erst einmal konserviert. Das Werk von Johannes Holst bleib für die Zukunft erhalten.
Restaurierungsarbeit
Als nächstes erklärt Bianca Floss die noch bevorstehende Restaurierungsarbeit. Leider haben die Schäden bereits wenige Fehlstellen in der Farbschicht verursacht. Man muss zwar sehr genau hinsehen, um die wenigen, kleinsten Fehlstellen überhaupt zu entdecken, retuschiert werden müssen sie trotzdem. Dafür wird erst einmal Füllstoff in die Fehlstellen gebracht, um eine glatte Ebene zu schaffen. Dafür benutz Frau Floss eine Mischung aus Celluloseether und Kreide. Genauso wie beim Störleim, mischt sie beinah alle Materialien, die zum Restaurieren und Konservieren benötigt werden, selbst. So kann sie sicher sein, dass sie genau den gewünschten Effekt und/oder die Konsistenz haben wird.
Sind die Fehlstellen gefüllt, kann die Retusche anfangen. Diese wird in diesem Fall mit wasserlöslicher Farbe vorgenommen. Überhaupt wird immer streng darauf geachtet, dass sich alle Restaurierungsarbeiten rückgängig machen lassen, ohne das Original zu beschädigen. Darauf wurde in der Vergangenheit nicht immer geachtet. So haben Restauratoren und Konservatoren heute während ihrer Arbeit häufig mit den Folgen fragwürdiger Restaurierungen zu tun.
Bianca Floss wird genau die passende Farbe für jeden Pinselstrich der Retusche aussuchen und geduldig ihre Arbeit vollenden. „Die Siam in schwerer See“ wird dann nicht nur wieder so aussehen, wie Johannes Holst sie gemalt hat. Sie wird, was genauso wichtig ist, für zukünftige Generationen auch so erhalten bleiben.
Am Ende dieser sehr anschaulichen „Führung“ durch die Welt der Konservierung und Restaurierung haben die Besucher nicht nur etwas gelernt. Sie werden Gemälde in Zukunft sicherlich auch mit anderen Augen betrachten.