Am 3. Mai 2023 wurden im Internationalen Maritimen Museum Hamburg erstmals die versunkenen Schätze der „Monte Olivia“ der Presse und den Medien vorgestellt. Die Öffentlichkeit kann die Schätze ab dem 1. Juni 2023 im Museum bewundern.
Die „Monte Olivia“ wurde 1925 für die Hamburg Südamerikanische Dampfschifffahrts-Gesellschaft (HSDG), kurz Hamburg Süd genannt, als Passagierschiff für 2.528 Passagiere und 369 Besatzungsmitglieder in Dienst gestellt und wurde am 3. April 1945 in Kiel von britischen Bombern versenkt.
Es ist sehr früh am Dienstag, dem 30. August 2022 und leichter Nebel schwebt über der Ostsee, als sich vier Taucher der Forschungstauchervereinigung Scientific Diving Association (SDA) aufmachen, um sich einem ihrer Projekte zu widmen.
Unterstützt werden die Taucher von One Earth – One Ocean (OEOO). Seit sieben Jahren arbeiten SDA und OEOO bereits zusammen, um ehrenamtlich an bis zu 50 Tagen pro Jahr verlorene Fischernetze zu suchen und zu bergen.
An diesem Tag wollen die Taucher der Meldung eines Anglers nachgehen, der berichtet, dass er stets an der gleichen Stelle im Kieler Hafen, mit seinen Angelhaken hängen bleibt. Ein Indiz auf ein potentiell verlorenes Netz.
Es ist 08:17 Uhr als sich das erste Tauchteam klarmacht und rückwärts von ihrem Boot in die Ostsee fallen lässt.
Nach einer knappen Stunde geben die Taucher das Signal zum Auftauchen. Beide haben die Hände voll, aber es sind keine Netze, sondern Gegenstände aus Metall. Das erste was sie von sich geben ist: „Ein Netz haben wir nicht finden können, aber der ganze Ostseegrund liegt hier voll mit Schrott“!
An diesem Tag hat Hubert Pinto de Kraus, Präsident der SDA Germany, die Einsatzleitung und als erfahrener Forschungs- und Wracktaucher befindet er sich mit an Bord. Bereits auf den ersten Blick fallen ihm die Stempel auf den Gegenständen auf. Es handelt sich um die Insignien HSDG. Diese kennt er bereits von dem Schiffswrack der „Cap Arcona“.
Der Stempel der HSDG befand sich, so weiß Hubert Pinto de Kraus, nur auf wertvollem Silbergeschirr und Besteck. Die „Cap Arcona“ wurde am 3. Mai 1945 mit rd. 5.000 KZ-Häftlingen an Bord, nahe Neustadt in der Lübecker Bucht, von britischen Jagdbombern versenkt.
Beide Taucher bestätigen noch einmal, dass es sich um einen riesigen Bereich voller Metallteile handeln würde und sich darunter auch Gießkannen befinden würden. Diese Gießkannen stellen sich später als silberne Karaffen für Kaffee und Tee heraus. Doch wie kommt das vermeintliche Silber auf den Grund der Ostsee?
Recherchen ergeben, dass genau an dieser Stelle, die „Monte Olivia“ der Hamburg Süd durch Bombentreffer versenkt wurde. Beim Zerlegen des Schiffes ging dann wohl ein Großteil, der sich im Schiff befindlichen Ausstattung und Ladung, über Bord.
Es vergehen acht Wochen bis sich das Team der SDA aufmachen kann, um der Sache weiter nachzugehen. Als Mitte Oktober das Team erneut am Ort der Untergangsstelle ist, wird schnell klar, dass sich hunderte Gegenstände aus Silber und weitere Beifunde aus dem Schiff auf dem Meeresgrund befinden. Kurios ist auch der Fund eines Motorrads aus dem zweiten Weltkrieg, welches sich ebenfalls zwischen den vielen Gegenständen befindet.
Bereits bei diesem ersten gezielten Taucheinsatz können rund 30 Gegenstände aus Silber geborgen werden.
Für die SDA war eine der wichtigsten Maßnahmen die sofortige Kontaktaufnahme mit dem Archäologischen Landesamtes (ALSH) in Schleswig, denn nach dem Denkmalschutzgesetz gehören alle gefunden Artefakte, die älter als 100 Jahre sind, automatisch dem Land und damit der Allgemeinheit. Wer ohne Nachforschungsgenehmigung (NFG) gräbt oder plündert, begeht eine Straftat.
Da die SDA in den letzten Jahren bereits eng mit dem ALSH zusammengearbeitet hat, wurde hier relativ schnell eine Genehmigung für weitere Prospektionen erteilt.
Genauso wichtig war das Einbeziehen der Wasserschutzpolizei und des Hafenamtes, da klar war, dass bei Bekanntwerden des Fundes, mit Plünderungen zu rechnen ist.
Auch wenn einzelne Gegenstände aus der Vergangenheit der Hamburg Süd im Internet hoch gehandelt werden, liegt eine kommerzielle Vermarktung der Objekte nicht im Interesse der ehrenamtlich arbeitenden SDA. Den Mitgliedern ist klar, dass dieser einmalige Schatz in die Öffentlichkeit gehört. Nach einer Kontaktaufnahme mit der Hamburg Süd bzw. der Familie Oetker, weiß Hubert Pinto de Kraus, dass sich alle wichtigen Artefakte und Archivalien der Hamburg Süd im IMMH befinden. Bei einem ersten Treffen im IMMH sind sich Hubert Pinto de Kraus und der Vorstand des IMMH einig, dass die Funde im Internationalen Maritimen Museum Hamburg ausgestellt werden sollen.
Seit November 2022 leisten die Forschungstaucher der SDA, in nahezu jeder Woche weitere Einsätze, um möglichst viele Gegenstände zu bergen. Dabei waren gerade im Winter die Einsatzbedingungen mit 4 Grad Wassertemperatur bei Schnee und Eisregen nicht immer angenehm. Viele der Funde wurden durch Schraubenbewegungen großer anlegender Schiffe tief in die Sedimente gedrückt und müssen regelrecht frei präpariert werden, oder liegen im Faulschlamm der Ostsee verborgen.
In den letzten Wochen trübte eine frühe Braunalgenblüte die Sichtverhältnisse und die Funde mussten nahezu blind ertastet werden. Bis zum 03.Mai 2023 konnten nahezu alle Gegenstände geborgen werden. Damit haben die potentiellen Plünderer und Schatzräuber keine Chance mehr auf eine schnelle Beute.
Die Geschichte der „Monte Olivia“
Die 159,70 m lange und 20,10 m breite „Monte Olivia“ lief am 28. Oktober 1924 bei Blohm & Voss vom Stapel. Nach ihrer Indienststellung 1925 machte sie ihre Jungfernreise nach Montevideo und Buenos Aires. Anschließend setzte die Hamburg Süd das Schiff erfolgreich für Kreuzfahrten ein. Auf zwei touristischen Nordkapreisen im Herbst 1925 wurden rd. 3.100 Passagiere befördert.
Nach Kriegsausbruch am 1. September 1939 gelang der „Monte Olivia“ im Oktober 1939 aus dem brasilianischen Santos heimkehrend, der Blockadedurchbruch nach Hamburg.
Fast alle deutschen Schiffe wurden 1939 von der Marine erfasst und durch sie für verschiedene Zwecke als Transporter, Hilfskriegsschiff, Wohnschiff etc. herangezogen.
Ab 1940 bis kurz vor Kriegsende 1945 wurde die „Monte Olivia“ zuerst als Wohnschiff für die deutsche Kriegsmarine eingesetzt und dann zum Lazarettschiff umgebaut.
Nach mehreren Bombentreffern, die neben dem Schiff niedergingen und die Bordwand aufgerissen hatten, kenterte sie am 3. April 1945 im Scheerhafen in Kiel.
Ein Zeitzeuge stellte 1993 klar, dass die „Monte Olivia“ nicht brannte, wie es teilweise beschrieben wurde, es handelte sich wohl um eine Verwechslung mit der „New York“, die in der Nähe der „Monte Olivia“ lag. Sie hatte Flakmunition geladen und brannte nach dem Bombenangriff.
Die gesamte Besatzung der „Monte Olivia“ befand sich zum Zeitpunkt des Angriffs in einem Luftschutzbunker.
Die „Monte Olivia“ wurde 1946 gehoben, abgewrackt und verschrottet.